Licht in die Sache
Die veröffentlichten Übersetzungen von ÜbersetzerInnen, die sich ins Exil retten konnten, sind physisch existent. Recherchierbar. Sichtbar. Greifbar. Sie werden zitiert, paraphrasiert, verwertet. Sie zirkulieren in historischen und gegenwärtigen diskursiven Feldern und gestalten diese und somit auch gesellschaftliches Leben mit. Der Großteil der ExilübersetzerInnen selbst bleibt jedoch im Wissenschaftsdiskurs bis heute (nahezu) anonym, inexistent: ihre Namen, ihre Biographien, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen, ihre übersetzerischen Strategien und Praktiken, ihre Handlungs- und Interaktionsgefüge. Das ExilːTrans-Forschungsprojekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, sie aus diesem diskursiven Schatten heraustreten zu lassen; es stellt jene Menschen, die sich vor dem Terror der NationalsozialistInnen ins Exil retten konnten und übersetzerisch tätig waren, in den Mittelpunkt seiner Arbeit.

Das Prisma des Exils

Exil bedeutet Verlust und Rettung zugleich. Aus wissenschaftlicher Perspektive liegt die Herausforderung von Exilforschung insbesondere in einer schütteren, verstreuten Quellenlage. Es ist davon auszugehen, dass für die zu untersuchenden ÜbersetzerInnen der Weg ins Exil einen Weg aus dem eigenen Lebenszentrum an einen (zumindest vorläufig) existentiellen Rand darstellte. Es wird zu untersuchen sein, welche Handlungsräume sich ExilübersetzerInnen in diesem für sie neuen und häufig erst selbst geschaffenen translatorischen Handlungsgefüge eröffnen und welche Rolle(n) sie darin einnehmen und entwickeln konnten (z. B. sprachliches Feld, Exilverlagswesen, kontrafaschistische Tätigkeit). Geschichtswissenschaftlich beruht Exil:Trans auf dem methodischen Ansatz der histoire croisée – im Fokus: Lebensdaten, Biographien und Netzwerke.

Reflexionen im Jetzt

Exil wird heute für immer mehr Menschen in der Welt zu einer erzwungenen Erfahrungs- und Lebensform. ÜbersetzerInnen haben aufgrund ihres translatorischen Handlungspotentials unmittelbaren Anteil am Aufbau, der Gestaltung, Aufrechterhaltung oder auch Zerstörung translokaler Beziehungen. Die ExilübersetzerInnen dieses Forschungsprojekts haben mit ihren Translaten zur Zeit nationalsozialistischen Terrors den Transfer kultureller und wissenschaftlicher Werke, sowie auch von Nachrichten, Hoffnungen und Erwartungen, ermöglicht. Zugleich bedeutete ihr Handeln ein Durchbrechen politischer Restriktion. Es gilt die diesen Übersetzungen zugrundeliegenden Arbeits- und Lebensbedingungen, sowie Handlungs- und Publikationsgefüge, zu ergründen und sichtbar zu halten. Die digital-geisteswissenschaftliche Rahmung des vorliegenden Projekts ermöglicht der Öffentlichkeit Teilhabe an der Arbeit von ExilːTrans.